Freitag, 24. Mai 2013

Ein ganzes halbes Jahr (J. Moyes) LIVE

Bewegend, jedoch gegen Ende mit einigen Längen.

"Lou & Will.
Louisa Clark weiß, dass nicht viele in ihrer Heimatstadt ihren etwas schrägen Modegeschmack teilen. Sie weiß, dass sie gerne in dem kleinen Café arbeitet und dass sie ihren Freund Patrick eigentlich nicht liebt. Sie weiß nicht, dass sie schon bald ihren Job verlieren wird – und wie tief das Loch ist, in das sie dann fällt. Will Traynor weiß, dass es nie wieder so sein wird wie vor dem Unfall. Und er weiß, dass er dieses neue Leben nicht führen will. Er weiß nicht, dass er schon bald Lou begegnen wird. Eine Frau und ein Mann. Eine Liebesgeschichte, anders als alle anderen. Die Liebesgeschichte von Lou und Will."

Dieses Buch ist wieder eines aus dem Leseclub, in dem ich mitmache, und ich hätte es selbst wahrscheinlich nicht ausgewählt.
Das Cover, auf dem man den Scherenschnitt-Schatten einer Frau sieht, die einen Vogel fliegen lässt, umgeben von roten Blütenblättern, wirkt zwar schön, macht mich aber nicht neugierig.
Nach dem Lesen des Klappentextes und der ersten 50 Seiten fühle ich mich stark an "Ziemlich beste Freunde" erinnert: Ein Film, der mir zwar recht gut gefallen, der mich aber nicht mitgerissen hat.
Der Schreibstil ist, soweit ich das bisher beurteilen kann, flüssig, die Protagonistin ist humorvoll, selbstironisch und sympathisch, so dass ich das Lesen des Buches als Entspannung sehe.

Lou arbeitet seit sechs Jahren in einem Café, was ihr großen Spaß bereitet. Ihre Einnahmen sind wichtig für die Familie, da ihr Vater nur wenig verdient, während sich ihre Mutter um den kranken Großvater kümmert. Auch ihre Schwester Treena ist dabei keine große Hilfe.
Als Lou von einem auf den anderen Tag ihren Job verliert, schaut sie sich nach Alternativen um und landet als Pflegerin bei Will, einem Mann ungefähr in ihrem Alter, der seit einem Unfall von der Hüfte an gelähmt ist.

***

Nun bin an die Stelle gelangt, in welcher der Bezug zum Titel des Buches hergestellt wird: "Ein ganzes halbes Jahr" gibt Will dem Leben noch eine Chance, dann will er mit der Hilfe der Organisation Dignitas in Würde sterben. Seine Mutter hat es schon fas akzeptiert, aber Lou ist erschüttert, als sie von dem Plan erfährt und möchte zuerst nichts mehr mit der Familie zu tun haben.
Dann entschließt sie sich jedoch, den Versuch zu unternehmen, Will die Lebensfreude zurückzubringen.
Ich muss zugeben, dass ich schon häufig in Versuchung geraten bin, zur letzten Seite zu blättern um zu schauen, wie die Geschichte ausgeht, aber ich beherrsche mich.

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Nachdem ich jetzt durch bin, muss ich beichten, dass ich kurz vor Ende doch nach hinten geblättert habe, weil ich unbedingt wissen wollte, wie das Buch ausgeht. "Leider" hat es mich an dieser Stelle nicht überrascht: Will geht tatsächlich freiwillig in den Tod und lässt Lou zurück. Meiner Meinung nach wäre auch jedes andere Ende unglaubwürdig gewesen: Er scheint so unter der Tetraplegie zu leiden und sein früheres Leben dermaßen zu vermissen, dass auch die Liebe zu Lou sein Leben für ihn nicht lebenswerter machen kann.
Auf den letzten Seiten fühlte ich mich von der Autorin ein wenig allein gelassen. Will bittet Lou darum, seine Familie hereinzuschicken, dann kommt schon der Epilog mit dem richterlichen Gutachten, das seinen Selbstmord bestätigt. Lou sitzt in Paris und liest einen Brief von ihm, aus dem nicht hervorgeht, ob ihre Liebe wirklich erwiedert wurde.
Generell bin ich mir nicht sicher, was ich von der besonderen Beziehung der beiden Protagonisten halte: Will scheint Lou nicht als gleichwertige Person zu akzeptieren, stattdessen bevormundet er sie, wo er kann. Sie bewundert ihn für seine weltmännische Art und lernt langsam, ihr Potenzial zu nutzen. Der Vergleich mit "My fair lady" / "Pygmalion" ist auf jeden Fall nicht von der Hand zu weisen.

Obwohl mich das Buch wirklich bewegt und gefesselt hat, war mir keine der Figuren sonderlich sympathisch. Lou mit ihrem ewigen Selbstmitleid, die solange nicht fähig ist, ihr eigenes Leben zu leben, bis sie förmlich dazu gezwungen wird. Will, der zwar ein schweres Schicksal hat, jedoch weder vor noch nach seinem Unfall ein angenehmer Zeitgenosse zu sein scheint. Ansonsten noch Lous egoistische Schwester, die nur ihr eigenes Wohlergehen im Sinn hat, und Nathan, der Pfleger, über den man so wenig erfährt, dass er farblos bleibt.

Fazit:

Ich habe das Buch innerhalb eines Tages gelesen und es hat mich zum Nachdenken gebracht, gerade weil ich mich schon häufiger mit dem Thema Sterbehilfe, sei es aktiv oder passiv, beschäftigt habe. Die Storie erinnert anfangs stark an "Ziemlich beste Freunde", weicht dann aber ab, so dass das Buch, das locker-leicht beginnt, doch noch eine Wende zur Ernsthaftigkeit erreicht.



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